Entstehungsgeschichte

Folgender Beitrag zur Geschichte des Museums wurde in VIP 3/2013 veröffentlicht:

50-jährige Geschichte des „Poppelsdorfer Heimatmuseums“

oder auch
wie Pastor Stöckers Wunsch in Laufe eines halben Jahrhunderts Wirklichkeit wurde

Rudolph StöckerVor 60 Jahren, in den Nachkriegsjahren der Besinnung und des Wiederaufbaus, begann der damalige Pastor der katholischen Pfarrgemeinde St. Sebastian in Poppelsdorf, Hans Rudolf Stöcker, in seinem Pfarrhaus eine „Heimatsammlung“ mit alten Bildern und Fundstücken aus der Poppelsdorfer Geschichte anzulegen, um diese auch seinen Schülern im Geschichtsunterricht zeigen zu können. Als er nun im Jahre 1962 in den Ruhestand trat, vermachte er seine Heimatsammlung testamentarisch der Stadt Bonn als Geschenk „mit der Auflage, diese Sammlung der Poppelsdorfer Clemens-Augustschule zu treuen Händen zu übergeben zur Verwendung im heimatkundlichen Unterricht“. In seinem Schreiben vom 7. Oktober formulierte er dann seinen Wunsch: „Vielleicht könnte die Sammlung einmal den Grundstock für ein Poppelsdorfer Heimatmuseum bilden, etwa in der Weise, dass beim geplanten Erweiterungsbau der hiesigen Katholischen Schule ein Raum für die Unterbringung der Sammlung eingeplant würde.“

Nach Annahme der Schenkung durch einstimmigen Beschluss des Bonner Stadtrats am 13.12.1962 wurde die „Sammlung Stöcker“ in die Clemens-August-Schule überführt, dort von der Schulrektorin Katharina Giesen betreut und teilweise im Klassenzimmer von Rektor Mirbach aufgehängt. Der damalige Bestand umfasste insgesamt 105 Objekte: neben einigen Dokumenten, Karten und Büchern 85 Bilddarstellungen (10 Ölgemälde, über 30 Stiche, 15 Zeichnungen und über 25 Foto-Reproduktionen) sowie 7 Exponate (vier Fayence-Stücke, zwei Schlüssel der alten Poppelsdorfer Kapelle und die Türglocke der Sternenburg). Außerdem wurden die Objekte beschildert und bei den „Städtischen Kunstsammlungen“ registriert. Etwa zwanzig dieser wertvollen Schätze sind – mit einem roten Punkt gekennzeichnet – im heutigen Museum ausgestellt: der Raum ist ein ehemaliges Lehrerzimmer im ersten Obergeschoss der inzwischen 150 Jahre alten Schule in der Sternenburgstraße 23. Nur, seit wann befindet sich die Sammlung an dieser Stelle und was ist sonst noch alles dort zu sehen?

Helmut Uessem bei der Demonstration eines „Soennecken- Füllhalters“ vor einer begeisterten Schulklasse, Foto im Eingangsbereich des Museums, 1992
Helmut Uessem bei der Demonstration eines „Soennecken- Füllhalters“ vor einer begeisterten Schulklasse, Foto im Eingangsbereich des Museums, 1992

Zunächst zeigte Rektorin Giesen die „Sammlung Stöcker“ nur bei gelegentlichen Ausstellungen, sie sammelte aber eifrig weiter historische Fotos sowie Dokumente und gab im Jahre 1976 auch das erste Poppelsdorfer Geschichtsbuch heraus: „Aus der Heimatgeschichte von Poppelsdorf“. Mehrmals versuchte sie, beim Schulamt die Schaffung eines Raumes zur öffentlichen Ausstellung der Sammlung zur erwirken. So argumentierte sie etwa im Juli 1975: „Neben dem heimatkundlichen Bildungswert für die Schularbeit würde ein solches Heimatmuseum insbesondere für ältere Menschen ein anziehender und lohnender Zielpunkt sein und zu einer Stätte der Begegnung werden können“. Dies gelang ihr jedoch nicht, und als dann im Jahr 1984 ihre Pensionierung anstand, schlug der Ortsbund Poppelsdorf Alarm: Er richtete ein dringendes Schreiben an OB Hans Daniels, auch in Zukunft Pflege und Betreuung der Heimatsammlung zu garantieren: „Helfen Sie bitte, der Schuljugend und den Bürgern Poppelsdorfs die Sammlung Stöcker zu erhalten.“

Die Stadt ermöglichte dies, aber es verging noch ein ganzes Jahr, bis im November 1985 zum 20. Todestag von Pastor Stöcker ein erster Schritt zur Erfüllung seines Wunsches getan war: Rektorin i.R Frau Katharina Giesen öffnete die „Heimatsammlung“ einmal wöchentlich (Do 15 – 18 Uhr) für Besucher. Diese konnten dort unter anderem das 1984 renovierte „kurfürstliche Pagen-Gemälde“ bestaunen, aber auch die im Februar 1985 aus dem Privatbesitz der Familie Wessel eingegangene Leihgabe zweier Großportraits in Öl sowie zwei neue Exponate (Füller, Bierflasche). Doch bei der Inventarisierung des Bestandes kam es zu Unstimmigkeiten zwischen Frau Giesen und dem damals zuständigen Stadtarchiv, so dass das Museum vorübergehend geschlossen war und, nach einer Revision, mehr als 70 Stücke an private Leihgeber zurückgegeben werden mussten. Im August 1988 öffnete die „Heimatkundesammlung“ dann nochmals, nun unter Leitung der damaligen Rektorin, Frau Magdalene Feuser-Heßler, allerdings nur für ein halbes Jahr.

Helmut Uessem im Gespräch mit dem damaligen Schulamts-Leiter, Werner Koch-Gombert, und dem Stadtarchivar Dr. Manfred van Rey (rechts), im neueröffneten Museum 1991
Helmut Uessem im Gespräch mit dem damaligen Schulamts-Leiter, Werner Koch-Gombert, und dem Stadtarchivar Dr. Manfred van Rey (rechts), im neueröffneten Museum 1991

Dass dies nicht so weitergehen konnte, war nicht nur den Poppelsdorfern klar, allen voran dem aktiven Heimatforscher Dr. Josef Ruland, sondern auch der Stadt Bonn: Man hielt also Ausschau nach einer verantwortungsvollen und kompetenten Persönlichkeit, die unsere Heimatsammlung auf die Dauer betreuen und weiterführen könnte – Der stellvertretende Leiter des Bonner Stadtarchivs, Dr. Manfred van Rey, wurde im Mai 1989 fündig: Es war der damalige Leiter der Stadtbildstelle, Rektor i.R. Helmut Uessem. Spontan stimmte dieser zu und begann mit der Sichtung und Katalogisierung der Sammlung. Schließlich erwirkte er zusammen mit der damaligen stellvertretenden Schulleiterin Frau Iris Siebertz am 20. August 1989 die Wiedereröffnung als „Heimatgeschichtliche Sammlung Stöcker“ mit Öffnungszeiten ähnlich wie heute. Im Laufe von 25 Jahren hatte sich der Bestand gerade einmal verdoppelt, neben den drei erwähnten Ölgemälden waren es insbesondere historische Bücher und Foto-Reproduktionen – einige dieser Exponate sind, mit gelbem Punkt markiert, im jetzigen Museum zu sehen.

In unermüdlicher Kleinarbeit, ergänzt durch regelmäßige Veranstaltungen mit Schulklassen sowie durch weitere öffentlich wirksame Aktionen konnte Helmut Uessem in den Folgejahren die „Sammlung Stöcker“ bekannt machen und Stück für Stück erweitern. Insbesondere kamen aus den Poppelsdorfer Haushalten alte Schätze aus dem Vereinsleben oder von den beiden großen Industriebetrieben „Wessel“ und „Soennecken“ zum Vorschein und fanden als Geschenke oder Leihgaben Eingang ins Museum. Nach einer gelungenen Ausstellung „100 Jahre Soennecken-Fabrik in der Kirschallee“ mit viel Resonanz im Herbst 1996, entschlossen sich Helmut Uessem, Dr. Josef Ruland, Prof. Wolfgang Alt und der Vorsitzende des Ortsbundes Peter Weingarten sen. Anfang 1997, die Gründung eines „Fördervereins Poppelsdorfer Geschichte e.V.“ zu betreiben, dessen satzungsgemäßes Ziel es ist, das Poppelsdorfer Heimatmuseum vor Ort zu erhalten und zu unterstützen. Zum Vorsitzenden wurde Helmut Uessem gewählt.

Nach der notwendig gewordenen Renovierung und Neueinrichtung des Museumsraums in der Clemens-August-Schule war nun die „Poppelsdorfer Heimatsammlung Stöcker“ ab 20. Mai 1999 wieder zu besichtigen und darin viele neue Exponate, vor allem wertvolle Wessel-Keramiken und verschiedenste Soennecken-Artikel, aber auch Vereinsfahnen, Karnevalsorden oder zwei „Knaggen“ vom Dach des ehemaligen Jägerhofs. Von Seiten des Fördervereins bildete sich eine „Museumsgruppe“, welche Helmut Uessem bei der Sammlung und Ordnung historischer Materialien und bei der Öffentlichkeits-Präsenz tatkräftig unterstützte, allen voran unsere kundige Archivarin Annemie Schmelmer sowie der bekannte Kirchenhistoriker Rektor i.R. Heribert Faber. Aus Altersgründen gab Helmut Uessem nach 14 verdienstvollen Jahren die Museums-Leitung ab, stand jedoch weiterhin regelmäßig mit Rat und Tat zur Verfügung und gibt als Ehrenvorsitzender des Fördervereins wesentliche Impulse für die Weiterentwicklung des Museums. Am 23. Juli 2003 übergab die stellvertretende Bezirksvorsteherin, Frau Elisabeth Mauch, für das Schulamt der Stadt Bonn die Leitung der Poppelsdorfer Heimatsammlung an den Diplom-Biologen Christian Kleist als Soennecken-Experte und Kenner der Bonner Industriegeschichte.

Heimatforscher Dr. Josef Ruland bei kritischer Betrachtung einiger Museumsstücke. Innerhalb der von ihm und Prof. Richard Müller im März 1985 organisierten Ausstellung „Alt-Poppelsdorf“ in der Zentralbibliothek Nussallee waren auch einige solcher Exponate zu sehen, Foto 1992
Heimatforscher Dr. Josef Ruland bei kritischer Betrachtung einiger Museumsstücke. Innerhalb der von ihm und Prof. Richard Müller im März 1985 organisierten Ausstellung „Alt-Poppelsdorf“ in der Zentralbibliothek Nussallee waren auch einige solcher Exponate zu sehen, Foto 1992

Nun, 2013, 50 Jahre nach Übernahme durch die Stadt Bonn ist die „Sammlung Stöcker“ aufgrund des tatkräftigen Einsatzes der genannten und weiterer ungenannter ehrenamtlich engagierter Personen zu einem wirklichen Museum herangewachsen: Die Bestände weisen weit über 800 Objekte auf, dazu kommen über 230 Bücher in der eigenen Bibliothek. Damit hat sich der ursprüngliche Sammlungsumfang annähernd verzehnfacht. Bei einem Rundgang durchs Museum lassen sich zahlreiche Originale bewundern: Alte Bücher, Karten und Ansichten Poppelsdorfs aus kurfürstlicher und preußischer Zeit, Fayence-Skulpturen und Geschirre, Waschgarnituren, dekorative Vasen und Fliesen aus den Wesselwerken in Poppelsdorf und Dransdorf, ein originales Soennecken-Büro aus der Kaiserzeit mit alten Lochern, Ordnern, Produkt-Katalogen und Fabrikations-Werkzeugen; von anderen Poppelsdorfer Fabrikations-Betrieben zeugen beispielsweise Kaffeedosen der Rösterei Zuntz und Bierflaschen der Aktienbrauerei; außerdem finden sich Erinnerungstücke aus dem ehemaligen Café Stockamp sowie auch eine Kniebank der alten Kapelle am Poppelsdorfer Platz.

Es lohnt sich also ein Museumsbesuch zu den Öffnungszeiten.  Und künftig soll auch die von Pastor Stöcker gewählte Bezeichnung „Poppelsdorfer Heimatmuseum“ in Gebrauch kommen, um zu zeigen, dass sein weitsichtiger Wunsch nun in Erfüllung gegangen ist.

Christian Kleist, Prof. Wolfgang Alt