Blick vom Venusberg auf Poppelsdorf und entstehende Südstadt

Ermekeilstraße

Historische Postkarte der Bonner Ermekeilkaserne, um 1900

Der Bonner Stadtplan aus dem Jahr 1877 zeigt sie noch nicht – die Ermekeilstraße. Wohl ist der Straßenzug als Projekt schon zu erkennen, jedoch nicht weit davon kann man den Namen Ermekeil in Verbindung mit einer Gärtnerei-Anlage lesen. Es handelte sich um einen großen Gartenbaubetrieb, der damals in einem völlig unbebauten Areal angelegt war, das außerhalb der Bonner Gemeindegrenze lag. Ob von dort aus das Projekt der späteren Ermekeilstraße ausgegangen ist, kann nicht sicher beantwortet werden. Allerdings sagen die Adressbücher aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts über die Ermekeilstraße: „Ermekeil, Grundbesitzer“. Es gibt keinen Vornamen oder andere Berufsbezeichnung, was bei der Ermittlung weiterhelfen könnte.

Die Familie Ermekeil war zweifellos wohlhabend. Es werden wahrscheinlich Brüder als Besitzer des „Hotel royal“ an der „Coblenzerstraße“ (heutiger Königshof) genannt. Andere Familienangehörige hatten unter anderem eine Lederwarenherstellung, eine Wagenbauwerkstatt oder als Erwerbsangabe Rentner, was durchaus zu ihrer Zeit ein Ausweis für Wohlhabenheit gewesen war.

Auf jeden Fall hat ein Mitglied der Familie Ermekeil früh erkannt, dass mit dem jetzt noch freien Land gut verdient werden könnte. Wie er, so haben es manche gemacht: freies Feld aufgekauft und es Stück für Stück als Bauland erschlossen. Und so entstand die Ermekeilstraße, als sie, in Bauparzellen aufgeteilt, der sich ausdehnenden Stadt Wohn- und Siedlungsraum bot. Und wenn dann diese neuen Straßen auch schon die notwendige Infrastruktur gleich mit anboten – vor allem Kanalanschluss und Gas- und Wasserleitungen – dann stimmten die Stadtväter gerne zu, dieser Straße den Namen des Erbauers zu verleihen. So kamen etwa die Quantiusstraße, die Colmantstraße, die Wesselstraße zu ihren Namen.

Als 1883 die Ermekeilkaserne fertig gestellt wurde, wurde damit auch einem lang gehegten Wunsch der Bonner Universität entsprochen, denn es zog dort zunächst das Bataillon des Infanterie-Regiments Nr. 28 ein, das 1897 vom 2. Bataillon der 160er ersetzt wurde. Warum begrüßte die Uni diese Infanterietruppen? Dort konnten die weniger bemittelten Studenten ihren einjährigen, freiwilligen Dienst ableisten – eine spezielle Form zur Ableistung der Militärpflicht für Abiturienten und Studierende. Sie war mit gewissen Privilegien und auch Ansprüchen bezüglich einer Offizierslaufbahn verbunden.

Nun entstanden auch Hausbauten an der Ermekeilstraße, die zum Teil eigens für die unteren Offiziersdienstgrade bestimmt waren, denn die durften außerhalb der Kaserne bei ihren Familien wohnen. Wie viele Nagelstiefel der Infanteristen das Pflaster poliert haben, kann niemand nachmessen. Einen kleinen Eindruck vermittelt das Foto vom Einmarsch einer Kolonne um die Jahrhundertwende 1900. Es muss aber immer wieder ein Anziehungspunkt für Kinder gewesen sein, wenn Soldaten marschierten. Als dann im August 1914 das Bataillon mit klingendem Spiel in den Krieg ausrückte, begleiteten die begeisterten Hochrufe der Bürger die Soldaten, die durch die Ermekeilstraße in eine ungewisse Zukunft auszogen. 2838 Tote und Vermisste aus dem dort kasernierten Truppenteil zählte die traurige Bilanz nach über vier Jahren Weltkrieg. Ob damals die Bezeichnung „Ärme Kääls-Kaserne“ aufkam, ob sie vielleicht schon vorher den preußischen Drill und Schliff meinte, der ja besonders bei den Infanteristen „gepflegt“ wurde? Oder ob diese Bezeichnung in den Nachkriegsjahren aufkam? Da wurde das Kasernengebäude, weil ja keine Truppen im Rheinland sein durften, zum Teil als Unterkunft für Minderbemittelte genutzt.

Und wieder zog Militär ein in die inzwischen erweiterten Unterkünfte nach 1933. In den alt-preußischen Mauern nistete sich in der NS-Zeit das Wehrbezirkskommando ein. Dort fanden die schlimmen Musterungen für den Wehrdienst statt. Der Chronist hat selbst diese Prozeduren mehrfach über sich ergehen lassen müssen: Von dort aus hatte er, wie Tausende andere, den Persil-Karton in der Hand, den Weg in den Zweiten Weltkrieg anzutreten.

Es ist seltsam, ein Bau wie diese Kaserne zieht immer wieder Militär an. So auch in der Zeit der Bundesrepublik. Zwar lagen dort keine Truppenteile wie zu Kaisers Zeiten, aber es gab unter anderem Raum für Dienststellen der Bundeswehr.

Und die Straße? Sie hat heute nichts Militärisches mehr an sich. Oder doch noch? Vielleicht sind es die zahlreichen Kneipen, die durch ihre Häufung noch ein wenig an durstige Soldatenkehlen erinnern. Aber der Ton ist ein anderer. Hier kneipen Studenten und andere vergnügte Menschen, die nun gar nichts mehr mit dem preußischen Drill zu tun haben (wollen). Und Ermekeil? Er wird sich an den Alleebäumen freuen, an dem Grün der Hintergärten und am friedlichen Miteinander in „seiner“ Straße. Sie gehört, und das soll der Ordnung wegen gesagt sein, nicht in der ganzen Länge zum Pfarrbezirk von Sankt Sebastian. Das hängt mit den alten Gemeindegrenzen zusammen, hat aber keinerlei Einfluss auf die gute Nachbarschaft.

Helmut Uessem