Hartsteinstraße

Sieben spannende Schritte zum Ziel

Was verbirgt sich hinter der Hartsteinstraße? Der Weg einer Recherche über Herkunft und Bedeutung dieses Namens:

Schritt 1: Lokaltermin. Die Hartsteinstraße liegt im Schatten der Lutherkirche als kleine Seitenstraße der viel befahrenen Reuterstraße. Das Straßenschild gibt keine nähere Auskunft über die Herkunft des Namens. Es weist in eine Art Sackgasse, die nach wenigen Schritten in ein wohltuend ruhiges Wohnviertel führt.

Schritt 2: Gang zum Stadtarchiv. Dort gibt es Bonner Adressbücher fast von Anfang an, also seit dem ersten Erscheinen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Man muss aber achtgeben, denn die topographische Lage der Hartsteinstraße befand sich zunächst außerhalb des damaligen Stadtgebietes. Es ist also zu suchen im Anhang Poppelsdorf. Fehlanzeige. Erst im Jahrgang 1927 taucht der gesuchte Name auf, Poppelsdorf ist längst der Stadt eingemeindet. Blättert man weiter, dann taucht in der Ausgabe von 1932 bei Hartsteinstraße eine kurze Erläuterung auf: Hartstein, Eduard * 1823 +1871, Landwirtschaftliche Akademie Poppelsdorf. Das ist schon ein guter Anfang.

Schritt 3: Ebenfalls im Stadtarchiv gibt es unter anderem mehrere Suchkarteien in Form von Karteikarten und auch im Computer. Suche im Bereich der Straßennamen. Da ist die Hartsteinstraße (noch) nicht aufgeführt. Auch im Zeitungsarchiv findet sich kein Hinweis.

Schritt 4: Nachschlagen im Namensweiser. Tatsächlich gibt es den Namen Hartstein, Eduard mit einigen Veröffentlichungen, etwa „Ein paar Worte über das der Universität Bonn gehörende Landgut zu Poppelsdorf, seine Bestimmung und seine Bewirtschaftung“, erschienen 1849. Das bietet dem Suchenden einen wichtigen Hinweis, denn wenn sich ein Autor Gedanken um dieses Landgut macht, was später ein Kern der Landwirtschaftlichen Akademie werden sollte, dann wird dieser Verfasser bestimmt beruflich enger damit verbunden gewesen sein.

Schritt 5: In dem Band ‚Chronik der Stadt Bonn‘ (erschienen 1988) findet man einen Hinweis auf Hartstein in der Jahresübersicht für 1850. Allerdings wird er dort nur im Zitat eines Briefes erwähnt, den der Schreiber am 27. November 1851 an seinen Vater zum Geburtstag verfasst hat. Dort wird ein erstes Licht auf die Persönlichkeit des gesuchtes Mannes geworfen: „… Recht interessant ist mir das landwirtschaftliche Kolleg, das ich in Poppelsdorf höre, besonders weil es das einzige ist, wo ich den Professor fast ganz verstehe. Derselbe war außerordentlich zuvorkommend gegen mich (es ist ein Dr. Hartstein, ein sehr tüchtiger Mann), denn es ist eine Seltenheit, dass ein Student, der nicht Landwirt oder – auf studentisch – Mistfink ist, nach Poppelsdorf kommt.“ (Geschrieben hat das Heinrich von Treitschke, Historiker, 1834 bis 1896).

Schritt 6: Jetzt lohnt es sich, in Veröffentlichungen nachzublättern, die sich mit der Geschichte der ehemaligen Landwirtschaftlichen Akademie, der heutigen landwirtschaftlichen Fakultät der Universität, befassen. Es gibt eine sehr detaillierte Abhandlung über „Das Dekanatsgebäude der Landwirtschaftlichen Fakultät zu Bonn“, als Broschüre erschienen und verfasst von Prof. Kurt Kaemmerer (1999). Da werden unter anderem die Verdienste von Eduard Hartstein datengenau aufgelistet. Der Leser erfährt, dass Hartstein Lehrer an dieser früheren landwirtschaftlichen Lehranstalt gewesen ist und ihr auch seit 1856 als Direktor gedient hat. Unter seinem Direktorat wurde dieses Haus zur Landwirtschaftlichen Akademie erhoben.

Schritt 7: Bis jetzt zeichnet sich schon ein recht deutliches Bild ab von dem Gelehrten, dessen Name in der untersuchten Straßenbezeichnung erhalten geblieben ist. Aber wie sah er wohl aus? Auch das lässt sich klären. Es gibt in der Poppelsdorfer Heimatsammlung ein Foto aus dem Jahr 1862. Das zeigt in einem Gruppenbild das Lehrerkollegium der Landwirtschaftlichen Akademie und in der Mitte ist Eduard Hartstein zu sehen. Zum Glück hatte der Fotograf damals die Namen der Abgebildeten gut lesbar darunter geschrieben, so dass Namen und Person einwandfrei einander zugeordnet werden können.

Noch ein Zitat: „… Dem Schlosse gegenüber finden wir dort im Jahre 1847 am 1. Mai das neu eröffnete Landwirtschaftliche Institut mit den dort chemisch-landwirtschaftlichen Laboratorien, die Gutswirtschaft, der Geräte- und Tabakschuppen usw…. In unmittelbarer Nähe ist der ökonomisch-botanische Garten und das Versuchsfeld. Das zum Institut gehörige Areal beträgt 110 Magdeburger Morgen. Als Direktoren folgten sich: Dr. Schweizer, Landesökonomierat Weihe und Geh. Reg. Rat Dr. Hartstein. Die Anstalt wird durchschnittlich von 70 – 80 Studierenden besucht, welche zum Teil in hiesigem Ort wohnen.“ Das Zitat stammt aus der Schul- und Gemeindechronik für Poppelsdorf, begonnen 1865.

Die Hartsteinstraße hat also zu Recht ihren Platz in Poppelsdorf.

Helmut Uessem