Geneigter und interessierter Leser, erlauben Sie hier drei Fragen, die Sie spontan und ohne nachzusehen beantworten möchten:
- Wo befindet sich der Rudolf Stöcker Weg hier in Poppelsdorf?
- Wer war dieser Rudolf Stöcker?
- Wieso Rudolf und nicht Rudolph und nicht Hans?
Die folgenden Zeilen mögen helfen, diese Fragen zu beantworten.
Fangen wir mit der zweiten Frage an, wer war dieser Rudolf(ph) Stöcker? Orts- und Heimatkundige werden sicher bald die richtige Antwort finden. Rudolph – so steht es in seinem Familienstammbuch in der Anmeldung beim Standesamt und auch in der Taufurkunde) – also Rudolph Johannes Stöcker wurde am 08.10.1891 in Elberfeld geboren. Er war das erste von 6 Kindern in seiner Familie. Sein Theologiestudium wurde durch den ersten Weltkrieg (1914 – 1918) unterbrochen. Er wurde Soldat, Artillerieoffizier, sogar mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet. Nach Kriegsende nahm er sein Studium wieder auf. Neben der Theologie beschäftigte er sich intensiv mit der Sprachwissenschaft vor allem Hebräisch und Aramäisch. 1921 empfing er die Priesterweihe. Er versah seinen Dienst als Kaplan in Köln und als Religionslehrer an einem dortigen Lyzeum. Hier im Schuldienst erwachte seine Leidenschaft für das Geschichtsstudium. Doch die Nazi-Regierung verbot ihm jegliche Lehrtätigkeit. So versetzte ihn der Erzbischof in die Pfarrstelle nach Villip/Wachtberg im Drachenfelser Ländchen.
Am 5. September 1941 hat der Erzbischof von Köln ihn zum Pfarrer an St. Sebastian in Poppelsdorf ernannt. Hier eingeführt wurde er am 16. 11. 1941. Schon zu dieser Zeit war die kirchenfeindliche Einstellung der Naziherrschaft deutlich zu spüren. Eine Prozession zur Kirche war verboten. Die Glocken durften nicht läuten. Als Fahnenschmuck wurden nur die Reichsflaggen erlaubt. Das alles verdeckte man unter Auflagen, die der Krieg erforderte. Das Gemeindeleben stand unter ständiger Bewachung durch die Gestapo. So belauschte man äußerst kritisch nicht nur die Predigten, ebenso jegliche Äußerung des Pastors und seiner Kapläne in der Öffentlichkeit. Aus Briefen des Pastors an seinen Bruder Julius ist zu erfahren, dass Pastor Stöcker von der Geheimen Staatspolizei zum Verhör vorgeladen war. Dort verdächtigte man ihn staatsfeindlicher Äußerungen, die im Zusammenhang mit der Entfernung der Kruzifixe aus den Schulräumen stehen sollten. Außerdem drohte man ihm mit Verhaftung, wenn nicht sofort nazifeindliche Gerüchte unter den Pfarrangehörigen verstummen würden.
Das Pfarrhaus erlitt Totalschaden bei einem nächtlichen Fliegerangriff. Die Kirche selbst hatte geringere Schäden, aber doch so, dass Stöcker seinem Bruder schrieb, er sei im Winter (1944/45) in kniehohen Schnee durchs Kirchenschiff zum Alter gewatet. Als der Zweite Weltkrieg zu Ende ging, sah es in Poppelsdorf elend aus. Vor allem die Menschen fehlten. Sie hatten sich aus Angst verkrochen oder waren geflohen. Dann marschierten die Amerikaner ein. Trotz existenzieller Not und Ausgangssperren erwachte das Leben, auch das kirchliche wieder.
Insgesamt durfte Pastor Stöcker 21 Jahre lang Hirte der Gemeinde St. Sebastian sein. Die Gemeinde erlebte Höhepunkte im geistlichen und kulturellen Leben. Die Pfarrkirche wurde restauriert, neue Fenster geschaffen und nicht zuletzt die neue Weihnachtskrippe kreiert, die noch heute in wechselnden Bildern große und kleine Betrachter durch das Weihnachtsgeheimnis begleitet. Die Figuren stammen aus der Werkstatt eines Bildhauers, die Bekleidung entstand unter künstlerischer Hand ehrenamtlicher Helferinnen.
Auf dem Rückweg von einem Umbau der Krippendarstellung im Januar 1960 verunglückte Pastor Stöcker so schlimm, dass er seinen Dienst aufgeben musste. Nach einem dreijährigen Krankenlager verstarb er und ist im Priestergrab auf dem Poppelsdorfer Friedhof beigesetzt. Als ein heute noch lebendiges Vermächtnis wird die Poppelsdorfer Heimatsammlung im Vordergebäude der Clemens-August-Schule in seinem Sinne weiter gepflegt. Als Pastor Stöcker diese Sammlung der Stadt Bonn schenkte, umfasste sie ca. 240 Exponate. Heute werden über 800 gezählt. Das ist ein Zeichen für das Interesse der Poppelsdorfer Bürger und auch ein Beweis für die zukunftsweisende Idee seiner Sammlung.
Bleibt die 3. Frage zu klären, die Frage nach seinem Vornamen.
In seinem Familienstammbuch findet sich die Eintragung des Standesamtes Elberfeld mit dem Datum 08.10.1891 als Rudolph Johannes Stöcker. In der Familie wurde er stets „Hans“ genannt. Ihn selber können wir nicht mehr fragen. Aber es gibt zahlreiche urkundensichere Unterschriften von Pastor Stöcker in Trauungsbescheinigungen und auch in den Taufbetätigungen. Hier findet man immer „H. Stöcker, Pastor“.
Und jetzt – ? Das Straßenschild sollte „Hans Rudolph Stöcker“ heißen.
Die Straßenkarte erläutert die Lage des Weges zwischen Poppelsdorfer Platz und Sebastianstraße. Könnten Sie den Weg dorthin auf Anhieb erklären, z. B. vom Botanischen Garten aus?
Helmut Uessem